
Mit Medienkompetenz gegen “Fear Of Missing Out” – 9 Fragen für deinen FOMO-Selbstcheck
10. Dezember 2020 Trotz Lockdown-Blues ist deine Wohnung strahlend sauber, deine Yoga-Praxis blüht auf und dein Bananenbrot schmeckt mittlerweile unübertrefflich. Zufrieden und erfüllt fühlst du dich dennoch nicht. Du spürst es geht noch mehr, es reicht einfach nicht. Irgendetwas fehlt. Irgendetwas verpasst du. Leidest du etwa auch an FOMO?FOMO: Die Angst etwas zu verpassen
Der Ärger über die eigene Abwesenheit, die Angst vor der falschen Entscheidung, die Furcht vor sozialer Ausgrenzung und verpassten Gelegenheiten, der Selbstzweifel – FOMO hat viele Gesichter und ist kein seltenes Phänomen. Immer mehr Menschen geraten in den Würgegriff des furchterregenden Gefühls etwas Wichtiges, Großes, Einmaliges zu versäumen. Oft bezieht sich dieses Gefühl darauf, wie man selbst die anderen wahrnimmt – darauf, dass andere mehr können, mehr Spaß haben, ein besseres Leben führen oder spannendere Dinge erleben als man selbst.
FOMO und Social Media
Social Media erleichtert es uns, am Leben anderer teilzuhaben. Meistens ist das wunderbar, denn es ermöglicht uns, raum- und zeitungebunden füreinander da zu sein und gibt uns ein Gefühl der Verbundenheit.
So wunderbar diese grenzenlose Verbundenheit auch ist, kann sie auch überfordernd sein. Das digitale Teilhaben am Leben anderer kann schnell von bereichernd zu verängstigend mutieren, denn es weckt unweigerlich Vergleiche. Durch die Social Media Brille erscheint so einiges verzerrt: das Leben anderer, genauso wie unser eigenes. Daher ist es ratsam, dass wir uns immer wieder Zeit zum Reflektieren nehmen.

In unserer Medienkompetenz-Artikelreihe haben wir die Rolle der Selbstreflexion bereits geschildert. Außerdem haben wir einige Fragen zusammengestellt, die die Selbstreflexion des eigenen Medienkonsums erleichtern.
Im Folgenden gibt es nun weitere Gedankenanstöße und Fragen, die sich explizit auf Social Media beziehen und helfen, schnell wieder aus der FOMO-Spirale rauszukommen oder gar nicht erst hineinzugeraten.
Das Selbstbild und das Fremdbild auf Social Media
Am Beginn der Social Media Reflexion ist es ratsam, sich Gedanken über die Dualität des Selbstbildes und des Fremdbildes zu machen, und in weiterer Folge über die Art und Weise, wie diese durch Social Media beeinflusst werden.
In der Psychologie ist das Selbstbild die „Vorstellung über die eigene Person“. Diese ist von vielen Faktoren geprägt und orientiert sich unter anderem an dem, was wir sein wollen, also an unserem Ideal- oder Wunschbild. Unserem Idealbild können wir auf Social Media relativ einfach näherkommen, denn hier ist es möglich eine von der Realität abgekoppelte digitale Identität zu erschaffen. Etwas Social Media Know-How und voilà, bald regnet es Likes und Followers.
Die Likes und Followers, die wir auf Social Media ernten, sind ein Ausdruck unseres Fremdbildes – jenes Bild, das sich andere über uns machen. Wenn wir Bewunderung und positives Feedback bekommen, erfüllt uns das mit Stolz – und stärkt das Selbstbild, das wir kreiert haben. Außerdem stellen sie eine Art instant Belohnung dar, da sie nachweislich für die Ausschüttung von Glückshormonen sorgen. Der Entzug ist schwierig.
Wenn wir zulassen, dass sowohl unser Selbstbild als auch unser Fremdbild vermehrt durch Social Media geprägt werden, laufen wir Gefahr, dass unsere Angst etwas zu verpassen die Oberhand gewinnt. Wie wir bereits erläutert haben ist FOMO mehr als das Gefühl eine Gelegenheit zu verpassen. Es ist vielmehr die Angst, die durch den unrealistischen Vergleich zwischen dem, was wir online sehen und/oder präsentieren und dem, was wir analog erleben, entsteht.

Diese Dualität sollten wir uns immer wieder vor Augen führen und uns fragen, wer wir online sind und wer die anderen online sind. Wie sieht unser Leben auf Instagram oder TikTok aus und wie das von Freunden, Promis oder Influencern? Welche Motivation steht dahinter? Den Unterschied zwischen der analogen Realität und jener, die wir online präsentieren oder präsentiert bekommen, erkennen zu können, kann uns davor schützen in eine FOMO-Spirale hineinzugeraten.
Gerade in Zeiten einer Pandemie, in denen wir gezwungenermaßen sehr viel Zeit online verbringen, klingt das einfacher als es ist. Es hilft, sich an erster Stelle folgende Fragen zu stellen:
- Welches Ziel möchte die Person durch den Post erreichen?
- Welche finanziellen, aber auch zeitlichen Ressourcen muss diese Person wahrscheinlich dafür aufwenden, um diese Aufnahmen zu machen? Ist es das meiner Meinung nach wert?
- Inwiefern stellen die geteilten Inhalte einen realen Alltag dar? Handelt es sich hier nicht vielmehr um außergewöhnliche Aufnahmen von einem sonst „normalen“ Leben?
- Wie viel Wahrheit ist in diesem Post enthalten – und was ist ggf. Übertreibung oder gar Fälschung?
Als zweiter Schritt empfiehlt es sich zurück zu uns selbst zu kehren. Denn Angst beginnt in uns selbst und ist selten nur fremdgesteuert.
- Warum nutze ich Social Media? Welche Motivation steckt hinter meinem Social Media Konsum und Engagement wirklich?
- Welchen Stellenwert nimmt mein digitales Leben heute ein – und wie präsent bin ich in der analogen Welt?
- Wieviel Zeit und Energie investiere ich darin, meine Social Media Profile zu pflegen und wieviel Zeit in meine reale Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Kontakte?
- Bin ich abhängig von Likes, Reichweiten und Follower-Zahlen? Ein Idikator dafür kann der ständige Drang sein, Notifications zu checken.
- Wie fühle ich mich, wenn meine Posts nicht meiner Erwartung entsprechend performen?
„Heute nichts erlebt, auch schön.“
Angst und Überforderung sind ganz normale Begleiterscheinungen unseres Lebens. Vor allem jetzt. Was draußen gerade passiert, haben wir nicht in der Hand. Was wir in der Hand haben, ist wie wir damit umgehen. Unsere Wahrnehmung zu steuern ist eine riesige Herausforderung, dennoch nicht unmöglich. Also: tief durchatmen, reichlich Wasser trinken, reflektieren. Und im Zweifelsfall an Goethe denken.
Denn wie er schon mal gesagt hat: Heute nichts erlebt, auch schön.
Autorinnen: Vivian Scherz & Doris Baumgartner