Zivilgesellschaft

Argumente für die nächste Diskussion mit Quoten-GegnerInnen

30. Juli 2020 In unserem letzten Beitrag haben wir die Frage beantwortet, "warum arbeiten bei uns 50% Männer?". Außerdem ging es um Gleichstellung, Gleichbehandlung und Chancengleichheit: wie gleich ist gleich, soll gleich gleich sein und wann ist gleich doch nicht immer gleich? Um euch nun noch besser für die nächste Diskussion mit Quoten-GegnerInnen zu bewaffnen, haben wir hier einige Argumente mitgebracht.

Zum Nachlesen: „Warum arbeiten bei uns 50% Männer?“

Argument 1: "Frauenquoten diskriminieren Männer.“

Chancengleichheit ist kein Kuchen: mehr Chancen für Frauen bedeuten nicht weniger Chancen für Männer. Außerdem sind Frauen in Geschäftsführungspositionen so dermaßen unterrepräsentiert, dass dieses Argument – auch wenn wir es rein rhetorisch als wahr anerkennen würden – noch lange (hoffentlich keine 99,5 Jahre wie beim Gender Pay Gap) kein Gewicht haben wird. Den Beweis liefert folgende Statistik.

Wir sehen zwar ein Rekordhoch beim Frauenanteil in Aufsichtsräten, aber auch ein Sinken des weiblichen Einflusses in den Geschäftsführungen.
Hier wurden die 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs aus dem Industrie-, dem Handels- und Dienstleistungssektor, sowie dem Finanzsektor untersucht.
Bei 8% Frauenanteil kann von einer Männerdiskriminierung keine Rede sein. Angesichts dieser Zahlen geht es bei der Frauenquote ganz klar um Chancengleichheit.

Argument 2: "Frauen mangelt es an den notwendigen Qualifikationen."

Nun, da ist tatsächlich was dran. In manchen Branchen sind Frauen wirklich unterrepräsentiert. Wir sind hier sogar selbst verleitet, ganz ohne Recherche (bitte verzeiht) zu sagen, dass jene Branchen eher technisch ausfallen. Hier gäbe es allerdings etliche wissenschaftliche Quellen, die belegen können, dass dieser Mangel ebenso ein gesellschaftliches Produkt der Erziehung und des Schulwesens ist. Das würde allerdings hier komplett den Rahmen sprengen, also lassen wir dieses Gegenargument lieber.

Zurück zu Argument 2. Ja, wir geben zu: Qualifikationen in manchen Branchen sind ungleich verteilt. Allgemein betrachtet hat dieses Argument keine Begründung. Ein Blick auf die „Bildungsabteilung“ der Gender-Statistik der Statistik Austria verrät uns Folgendes über die geschlechtlichen Unterschiede rund um das Bildungsniveau in Österreich:

  • Abschluss einer mittleren oder höheren Schule: 33,3% Frauen vs 27,3% Männer
  • Abschluss einer Hochschule oder Akademie: 19,2% Frauen vs 15,9% Männer
  • Erfolgreich abgelegte Matura: 51,1% Frauen vs 36,2% Männer
  • Lehrabschlüsse: 40,2% Frauen vs 59,8% Männer
  • Studienabschlüsse Fachhochschulen: 51,5% Frauen
  • Universitäre Studienabschlüsse 54,8% Frauen

In Sachen Studienabschlüsse gibt es wie erwartet auch große geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Fächerwahl. Für manche vielleicht dennoch überraschend kommt die Tatsache, dass Frauen nicht nur in den Geisteswissenschaften (75,9%), Kunst (64,5%) und ähnlichen Studienrichtungen überrepräsentiert sind, sondern auch in

  • Rechtswissenschaften (55,8%)
  • Wirtschaftswissenschaften (52,5%)
  • Medizin (51,0%)

Qualifikation ist nicht gleich Bildung? Zweifellos!

Nachweislich besseres Bildungsniveau und dennoch aufgrund „mangelnder Qualifikation“ notorisch in den Führungsetagen unterrepräsentiert zu sein, und noch dazu um einiges weniger zu verdienen (letztes Jahr sprach die AK von 19,7% weniger auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung): Zweifellos ABSURD.

Argument 3: "Frauen haben kein Interesse an Führungspositionen."

Sagt wer? Ernsthafte Anhaltspunkte für diese Behauptung können wir uns schwer vorstellen.  Wie soll die Beweislage hier überhaupt aussehen? Eine Umfrage, so repräsentativ wie sie auch sein mag, würde hier nicht reichen. Denn um diese Aussage zu beweisen, müssten Frauen erstmals dieselben Führungschancen haben wie Männer. Ob diese vermeintlich „führungsscheuen“ Frauen auch dann kein Interesse an Führungspositionen hätten?

Lassen wir mal die nicht-so-gute, alte, aber heute leider genauso präsente gläserne Decke als Gegenargument beiseite. Führung braucht neben Bildung auch Arbeitserfahrung. Arbeitserfahrung sammelt man unweigerlich am Arbeitsplatz. Laut Statistik Austria stieg innerhalb den letzten zehn Jahren der Anteil an teilzeitbeschäftigten Frauen von 43,1% (2009) auf 47,7% (2019). Bei Männern stieg sie zwar auch: von 8,8% in 2009 auf 10,7% in 2019.

Teilzeitbeschäftigung 2019 = Frauen 47,7% vs Männer 10,7%

Warum?

Der wichtigste Grund für Teilzeitbeschäftigung war bei 38,2% der Frauen die Betreuungspflicht für Kinder und pflegebedürftige Erwachsene. Bei Männern liegt diese Prozentzahl bei 5,4%! Spezifisch in dem Alter zwischen 30 und 44 Jahren, in dem Menschen vermeintlich mitten im Leben stehen, nennen 68,6% der Frauen Betreuungspflichten als wichtigster Grund für ihre Teilzeitbeschäftigung.

Stellen wir uns hier mal eine berechtigte Frage: Wie viele Führungspositionen auf Teilzeitbasis gibt es denn?

Argument 4: "Die Frauenquote sorgt für den Erfolg unqualifizierter Frauen."

Schlecht(er) qualifizierte Menschen werden so lange hohe Position belegen, solange es Freunderlwirtschaft und Korruption gibt. Die Frauenquote kann dafür nichts.

Oder doch? Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt spannende Ergebnisse. WissenschaftlerInnen haben den Effekt der Frauenquote in Schweden untersucht und festgestellt, dass Frauenquoten dafür sorgen, dass qualifizierte BewerberInnen stärker für die Führungsebene berücksichtigt werden. Was einen angenehmen Nebeneffekt hat: mittelmäßig qualifizierte Männer, die bereits in diesen Positionen sind, werden weniger.

Argument 5: "Wegen einer Quote eingestellt oder gefördert zu werden ist eine Beleidigung."

Wer die Quote als Beleidigung zu verkaufen versucht, hat nicht nur keine Sekunde überlegt, sondern dem/r mangelt es an jeglicher sozialer Kompetenz.

Beleidigend ist die gesamte momentane Situation. Der Gender Pay Gap ist beleidigend: nachweislich weniger Entlohnung für die gleiche Arbeit. Die gläserne Decke ist eine Beleidigung: stundenlange, kräftezehrende Bemühungen nur um sich den Kopf an einer durchsichtigen, aber nicht durchlässigen Tatsache zu stoßen. Das ist nicht nur beleidigend, das tut auch richtig weh. Was auch beleidigend und schmerzhaft ist: dass wir heute noch diese Diskussionen führen und diese Argumente hören.

Warum arbeiten bei uns 50% Männer?

Weil wir niemanden beleidigen wollen. Weil wir fair sind und dies auch bleiben wollen. Weil uns Gerechtigkeit am Herzen liegt und Diskriminierung uns wütend macht. Weil uns Veränderung wichtig ist: gestern, heute und morgen, vorzugsweise nicht erst in 100 Jahren.

Werden wir uns an 50/50 für immer und unter allen Umständen halten? Nein. Aber an Gerechtigkeit. Und wenn Quoten nachweislich zur Veränderung eins ungerechten Systems beitragen, dann werden auch wir uns stets darum bemühen.

Autorin: Vivian Scherz

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