Zivilgesellschaft

Über den gesunden Umgang mit den Medien: die vier Dimensionen der Medienkompetenz / Teil 2

30. November 2020 Im ersten Teil des Artikels  haben wir uns näher mit der Frage auseinandergesetzt, warum Medienkompetenz gerade in Zeiten einer Pandemie enorm wichtig ist. Wir haben den Begriff Medienkompetenz erläutert und Denkanstöße zu den ersten zwei Dimensionen der Medienkompetenz geliefert: Sachkompetenz (das Wissen über die Medien) und Rezeptionskompetenz (die Fähigkeit, Medien kritisch zu nutzen). Und wir haben euch gebeten, diese Denkanstöße mit euren Mitmenschen zu teilen. Nun geht es weiter mit den anderen zwei Dimensionen der Medienkompetenz.

3. Partizipationskompetenz – die Fähigkeit, Inhalte für Medien eigenständig zu gestalten.

Das Web 2.0 brachte die Evolutionsstufe, die uns von Konsumierenden von Inhalten zu Produzierenden gemacht hat. Es hat uns zu digitalen SchöpferInnen erhoben und uns die unendlichen Möglichkeiten des digitalen Teilhabens und Mitgestaltens eröffnet. Partizipieren ist eine der wichtigsten Säulen unserer Gesellschaft. Der Mehrwert, den wir dadurch schaffen, ist unendlich. Um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen: durch das Teilhaben an Debatten und Gestaltung von Botschaften tragen wir zur Erhaltung der Demokratie bei und fordern wirtschaftliche und politische Transparenz ein. Digitales Partizipieren unterstützt unsere Horizonterweiterung durch einen offenen Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Partizipieren steht auch für ein grenz- und zeitüberschreitendes Mit- und Füreinander.

Soziale Medien erleichtern uns das Partizipieren enorm. Durch unser Partizipieren sind wir imstande einen sozialen Mehrwert zu schaffen, auf gesellschaftlicher genauso wie auf persönlicher Ebene. Um diese Möglichkeit bestmöglich zu nutzen und negative Konsequenzen zu minimieren, brauchen wir die dritte Dimension von Medienkompetenz: die Partizipationskompetenz.

Die Partizipationskompetenz umfasst die „Fähigkeit zur mitwirkenden Kommunikation“. (Quelle: Ralf T. Kreutzer: Die digitale Verführung. Selbstbestimmt leben trotz Smartphone, Social Media & Co., S. 141)

Mitwirken auf Social Media beginnt bereits mit einem Double-Tap auf ein Foto oder Emotionen äußern durch den Gefällt-mir-Button. Viel Mitwirk-Kompetenz wird hier nicht erfordert, außer dem Wissen darüber, was diese Reaktionen bewirken. Nämlich die Erhöhung der Reichweite des jeweiligen Postings.

Social Media erleichtert uns auch das Teilen von fremden Inhalten. Bevor wir diese Erleichterung für uns nutzen gilt es, sich einige Fragen zu stellen:

Mit wem will ich diesen Inhalt teilen und habe ich sichergestellt, dass wirklich nur die erwünschten Personen ihn zu Gesicht bekommen? Schafft dieser Inhalt Mehrwert oder handelt es sich um potentiell irreführende Informationen? Wenn Zweiteres, was löst dieser Inhalt aus, vor allem wenn ich ihn unkommentiert teile?

Indem wir kommentieren gestalten wir eigenständig Inhalte. Kommentieren stellt somit ein aktives Partizipieren dar. Die technische Fähigkeit, eigenständig gestaltete Inhalte online zu veröffentlichen, besitzen (so gut wie) alle. Vielmehr geht es bei der Partizipationskompetenz, um die Fähigkeit diese Inhalte kritisch zu hinterfragen und sich deren Auswirkungen bewusst zu sein.

Was bewirkt mein Kommentar? Kann ich einen Kommentar so verfassen, dass es mich und meine Ansichten wahrhaftig widerspiegelt? Greife ich bewusst etwas oder jemanden an? Sind mir die Konsequenzen dieses Angreifens für beide Seiten bewusst?

Dasselbe gilt für alle Inhalte, die wir online teilen – Texte genauso wie Bilder und Videos. Das Wissen darüber, was mit den Bildern und Videos passiert nachdem sie veröffentlicht sind, ist hier unabdingbar.

Wem gehört das Bild/Video nachdem es veröffentlicht wird? Wer hat Zugriff darauf und kann es ohne mein Wissen und meine Zustimmung weiterverbreitet werden? Welche Konsequenzen könnten daraus entstehen?

Ein unglaublich wichtiges Thema an der Stelle sind Kinderfotos im Internet.

Kinderfotos im Internet

Social Media als ein digitales Fotoalbum der Kinder zu verwenden ist aus vielen Gründen keine gute Idee. In vielen Fällen ist es schlichtweg respektlos dem eigenen Kind gegenüber, zum Beispiel wenn das Recht am eigenen Bild verletzt wird. Das Kind um Erlaubnis zu fragen, wäre grundsätzlich ein Anfang. Zielführend ist das aber wohl meist nicht, denn ein Kind kann bis zu einem gewissen Alter keine informierte Entscheidung treffen.

Vielmehr können hier folgende Fragen helfen:

Würde ich an der Stelle meines Kindes solche Aufnahmen von mir selbst im Netz sehen wollen? Können diese Aufnahmen dem Kind später peinlich sein? Gehen intime Momente des Familienglücks jemanden an? Wenn ja, wen und warum?

Wenn auch nach guter Überlegung hier die Antwort „Ja“ lautet, gilt es in weiterer Folge ernsthaft zu hinterfragen, ob man sich der Gefahren dieser Veröffentlichung bewusst ist. Es ist für viele von uns schwer vorstellbar, dass so etwas Unmenschliches wie Kinderpornografie überhaupt existiert. Die Realität ist jedoch erschreckend. Kinderfotos können leicht in die falschen Hände geraten und für sexuelle Zwecke missbraucht werden. Augenöffnende und herzzerreißende Einblicke in die dunkle Welt der pädophilen Foto-Blogs findet ihr in einer ARD-Dokumentation hier.

Das sogenannte „Sharenting, (von „share“ und „parenting“) also das übermäßige Teilen von Kinderfotos, ist ein sehr gefährlicher Trend. Eltern, die ihr Kinderglück nichtdestotrotz online teilen wollen, wollen wir Folgendes mit auf dem Weg geben:

  • Nackte oder halbnackte Aufnahmen sind ein absolutes No-Go.
  • Aufnahmen möglichst anonymisieren. Das Gesicht des Kindes soll unkenntlich gemacht werden.
  • Wenn die Aufnahmen auf Social Media geteilt werden, müssen davor die Privatsphäre-Einstellungen überprüft werden. Außerdem kann, zum Beispiel auf Facebook, das Publikum, mit dem die Aufnahmen geteilt werden, auf einen davor definierten Freundeskreis eingeschränkt werden.
  • Als Alternative zu Social Media können passwortgeschütze Online-Ordner benutzt werden. Der Link wird dann nur mit ausgewählten Personen geteilt, die explizit darauf hingewiesen werden, dass Teilen unerwünscht oder gar verboten ist.

4. Selbstreflexionskompetenz – die Fähigkeit, das eigene Mediennutzungsverhalten zu analysieren

Unsere Screens sind gerade unumgänglich – Zoom-Calls statt Meetings, Online-Sport-Kurse statt des Besuches im Studio. Gerade in Zeiten von COVID-19 steigt unser Medienkonsum unweigerlich an. Sei es der Nachrichtenkonsum, um uns am Laufenden zu halten, unser Binge-Watching auf der Streaming-Plattform unserer Wahl, das uns die gewünschte Ablenkung bietet oder unsere Zeit auf Social Media, die uns hilft mit anderen trotz Social Distancing in Verbindung zu bleiben.

Daran ist nichts auszusetzen, denn wir haben gerade kaum eine andere Wahl. Allerdings steigt mit dem steigenden Medienkonsum auch die Bedeutung unserer Selbstreflexionskompetenz. Sie umfasst die Fähigkeit, uns kritisch mit unserem Mediennutzungsverhalten auseinanderzusetzen und unterstützt uns dabei, dessen Auswirkungen im Auge zu behalten. Bei dieser Kompetenz geht es darum zu hinterfragen, welche Auswirkungen der Medienkonsum auf das eigene Leben hat: auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, auf unsere Arbeitsfähigkeit und Konzentration, auf die Freizeitgestaltung und psychische Verfassung.

Um den Medienkonsum zu analysieren, können wir ihn zum Beispiel in zwei Kategorien aufteilen: Medienkonsum zwecks Information und jener zwecks Ablenkung. Folgende Fragen können euch bei der Selbstreflexion unterstützen:

Information

  • Woher beziehe ich meine Informationen? Sind das verlässliche Quellen, die mich informieren ohne Panik zu stiften?
  • Wie oft konsumiere ich Nachrichten und passiert es bewusst?
  • Nehme ich mir die Zeit mich tiefer damit auseinanderzusetzen, zu analysieren, über Zusammenhänge nachzudenken?
  • Fühle ich mich dadurch überfordert? Welche Schritte kann ich setzen, um informiert zu bleiben, ohne dass ich dadurch emotional überfordert werde?

Ablenkung

  • Wieviel Zeit verbringe ich online, um mich abzulenken? Passiert das bewusst und zielgerichtet oder parallel zu anderen Aktivitäten?
  • Spüre ich einen Zwang permanent online zu sein, auf Inhalte anderer zu reagieren oder selbst Inhalte zu gestalten und zu veröffentlichen?
  • Bereitet mir diese Zeit online Freude? Erfahre ich dabei Unterstützung oder Druck? Inspiriert es mich oder fühle ich mich gezwungen Sachen zu unternehmen oder nicht zu unternehmen? Spornt es meine Kreativität an oder blockiert es mich?
  • Erlaube ich mir auf Social Media so zu sein wie ich wirklich bin? Spiegelt mein Engagement meinen echten Gemütszustand wider, oder fühle ich mich gezwungen mich anders zu präsentieren? Wie wirkt sich das auf mein Selbstbild aus?

Die Ausnahmesituation, in der wir uns momentan befinden, kann für ein verzerrtes Bild unseres Medienkonsums sorgen. Jetzt gerade ist es viel schwieriger, kurz das Handy zu verbannen, den Laptop zuzumachen und sich etwas Zeit offline zu gönnen. Solange unser Medienkonsum für uns arbeitet statt gegen uns ist alles in bester Ordnung. Solange wir uns online authentisch austauschen, uns entfalten, für andere da sind, ist die Zeit, die wir mit unseren Screens verbringen bereichernd. Damit das so bleibt müssen wir lernen, die Warnsignale der Überforderung oder des Zwangs zu erkennen und entsprechend zu agieren.

Autorinnen: Vivian Scherz & Doris Baumgartner

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