
Die wichtigsten Ankündigungen aus der F8-Konferenz und was wir davon halten
22. März 2020 Im kalifornischen San Jose brodelt es die letzten Tage. Nach einem skandalreichen Jahr setzt Facebook nun auf Privatsphäre und Interaktion mit Familie und Freundinnen.Mit einer Erwähnungsrate von über 50 Mal war „Privacy“ DAS Stichwort der diesjährigen Konferenz. Dass wir eben genau diesem Punkt bei Facebook kritisch gegenüber stehen weiß Zuckerberg und gibt es auch zu:
„Now look, I get that a lot of people aren’t sure that we’re serious about this, I know that we don’t exactly have the strongest reputation on privacy right now, to put it lightly. But I’m committed to doing this well.“
Ob dies nun die Vertrauenswürdigkeit von Facebook in dieser Angelegenheit steigert, das einzuschätzen bleibt jedem selbst überlassen. Zuckerbergs Pläne klingen auf jeden Fall ziemlich mutig: „It isn’t about new features, it’s about changing our company.” Und dieses besagte neustrukturierte Unternehmen soll eine „privacy focused social media plattform“ sein.
Was heißt für Zuckerberg nun „privacy“ genau? In Bezug auf die Privatsphäre skizziert er fünf Schwerpunkte
Private InteractionsHier wird zunächst der Unterschied zwischen Posts und Messages geschildert. Zuckerberg weist darauf hin, dass durch das geplante Zusammenführen der Messaging-Dienste von Messenger, WhatsApp und Instagram die Interaktion mit Freundinnen und Familie über das Facebook-Netzwerk zu einer grundsätzlich privateren Erfahrung wird. Dazu soll eine end-to-end-Verschlüsselung maßgeblich beitragen.
EncryptionDie Funktion der besagten Verschlüsselung erklärt Zuckerberg folgendermaßen: “limits services like ours from seeing the content flowing through them and makes it much harder for anyone else to access your information.”
Er kommentiert rechtswidrige staatliche Forderungen nach Daten, erwähnt aber auch das Potential, Leben von Dissidenten zu retten. Eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden bei der Aufdeckung von „truly terrible things like child exploitation, terrorism, and extortion” hält er für notwendig. Des Weiteren weist er auf die Möglichkeit hin, „bad actors“ anhand von Aktivitätsmustern zu erkennen, was wiederum eine verstärkte Verwendung von Algorithmen impliziert. Dies stellt eine der größten Herausforderungen für ein auf Schutz der Privatsphäre ausgerichtetes Facebook dar – ein Gleichgewicht zwischen Datenschutz und Strafverfolgungsvorschriften.
Reducing PermanenceDie Verringerung der Zeitraums, in dem gepostete Inhalte gespeichert werden, soll zur Erhöhung des Nutzerinnen-Vertrauens beitragen. Schließlich haben nicht wenige davor Angst, irgendwann von den eigenen Teenie- oder Party-Eskapaden, die auf der einen oder anderen Weise ihren Weg zum Facebook-Netzwerk gefunden haben, blamiert zu werden. Hier spricht Zuckerberg vom „automatischen Auslaufen“ nach einiger Zeit. “It also makes sense to limit the amount of time we store messaging metadata.” Dies war die einzige Erwähnung von Metadata.
InteropabilityHinter diesem Zungenbrecher steht die Zusammenarbeit verschiedener Facebook-Dienste. Der Fokus fällt auf Messenger und WhatsApp und die Möglichkeit, zukünftig plattformübergreifend zu kommunizieren. Zum Beispiel wird es in Zukunft möglich sein auf WhatsApp eine Nachricht zu erhalten und zu beantworten, die über Facebook übermittelt wurde – also ohne die Telefonnummer zu teilen.
Secure Data-StorageIn erster Linie sollen keine Datenzentren in Ländern errichtet werden, “that have a track record of violating human rights like privacy or freedom of expression.“. Zuckerberg fügt hinzu, dass dies zum Blockieren der Dienste in einigen Ländern führen könnte oder zu einer verspäteten Einführung in anderen. Sein Kommentar:
„That’s a tradeoff we’re willing to make.”
Die Umsetzung aller notwendigen Veränderungen werden mehrere Jahre dauern.
Und nun zu den Änderungen in den Plattformen.
FacebookWas braucht ein „neues“ Unternehmen?
Neues Logo – check. Aus dunkelblau und eckig(ish) wird hellblau und rund.
Neues Design – check. Unter dem Namen „F5“ werden die App und die Webansicht komplett redesigned. In Zukunft wird alles viel „weißer“ statt dunkelblau.
Sowohl der Newsfeed als auch die privaten Profile werden dem Re-Design unterzogen und werden viel „aufgeräumter“. Es ist davon auszugehen, dass auch die Facebook-Seiten ein Re-Design erfahren werden, obwohl es hierzu noch keinen Screenshot gibt. Diese Neuerungen sind in den USA ab gestern verfügbar, uns trifft das „in den nächsten Monaten“ – es sei denn, Facebook erhält maßgeblich schlechtes Feedback und es kommt gar nicht zum besagten Re-Design in Europa.
Facebook gab ja kürzlich bekannt, dass der Newsfeed „heruntergespielt“ wird. Nach der F8-Keynote wissen wir nun, was das genau bedeutet – der Fokus fällt zukünftig auf Gruppen und Events. Gruppen gewinnen massiv an Bedeutung. Die Neugestaltung soll Userinnen unter anderem dabei helfen, die sozialen Kreise zu erweitern. Zum Beispiel soll ein Feature „Meet New Friends“, Menschen verbinden, die etwas gemeinsam haben – wie etwa eine Schule oder einen Arbeitgeber. Außerdem soll es einfacher werden Events in der Nähe zu finden.
Facebook MessengerMessenger erhält im Allgemeinen eine große Aktualisierung – es soll die sicherste und schnellste Messaging Plattform am Markt werden. Dies passiert unter dem Namen „Lightspeed“ – benötigt werden nur noch 30 MB (etwa 20% der derzeitigen Größe). Außerdem gibt es gute Nachrichten für jene, die Messenger am Desktop verwenden. Facebook will noch heuer mit Desktop-Apps für Mac und PC starten.
Eine weitere Erneuerung ist die neue Newsfeed-Art „Friends Tab“ im Messenger. Hier werden nur Unterhaltungen und Stories von Freundinnen gezeigt – also ein Platz, wo man quasi unter sich ist. Geteiltes bleibt hier privat und wird nicht automatisch öffentlich, wodurch davon auszugehen ist, dass mehr Menschen dazu geneigt wären, etwas zu teilen. Auch wenn dies nicht passiert, bleibt der „Friends Tab“ nicht leer – Messenger bedient sich der Instagram Stories.
Wie bereits erwähnt soll im Messenger, wie auch bei WhatsApp, die Kommunikation end-to-end verschlüsselt werden. Eine plattformübergreifende Kommunikation über Instagram Direct, WhatsApp und Facebook Messenger ermöglicht es uns zukünftig, unabhängig vom Netzwerk miteinander zu kommunizieren.
InstagramZugespitzt formuliert: Instagram gilt per se als einer der „schönsten“ Orte im Web. Allerdings macht es die Jagd nach Likes und Followern auch zu einem umkämpften Ort des Wettbewerbs. Inzwischen testet Instagram eine Überarbeitung dieser grundlegenden Funktion. „Secret Like Count“ versteckt die Anzahl der Likes im Feed, diese sind nur für die Account-Inhaberinnen sichtbar. Dies sollte sich positiv auf die Qualität des Contents auswirken, in dem „Content Creator“ sich auf die Fotos und Videos konzentrieren und nicht bloß auf die Zahlen. Außerdem sollen im Profil die Follower-Zahlen weniger prominent angezeigt werden. Diese Funktion wird momentan in Kanada getestet und bei Erfolg wird sie in Europa womöglich auch eingeführt.
Während hier die Bedeutung der Zahlen minimiert wird, dreht sich bei dem Update „Shopping from Creator“ alles um den erleichterten Verkauf. Dies ermöglich es Influencern künftig Produkte zu markieren, die dann von Nutzerinnen direkt gekauft werden können.
Die IG-Kamera bekommt einen „Create Mode“ – man kann künftig also ganz ohne Fotos oder Videos Inhalte kreiern und teilen.
Bald kommt auch der „Donation Sticker“ – dieser kann in Stories integriert werden und erleichtert das Sammeln von Spenden.
WhatsAppVergleichsweise tut sich hier relativ wenig. Es sei denn man ist in Indien – dort werden momentan „WhatsApp Payments“ mit 1 Million Menschen getestet. Die Resultate momentan sind ziemlich vielversprechend (laut Keynote Präsi: 37% increase in sales / 60% sales closed through WhatsApp), also darf man gespannt sein ob und wann es bei uns soweit sein wird.
Im Bereich WhatsApp für Unternehmen gibt es kaum Neuerungen, bis auf die vor ein paar Wochen für iOS gelaunchte App „WhatsApp Business App“, und den für Unternehmen recht erfreulichen „Product Catalog“.
Facebook Dating AppNeu ist die Idee nicht, ob sie sinnvoll ist.. na ja. Laut Facebook offensichtlich schon, da die neue Funktion „Secret Crush“ in weiteren 14 Ländern eingeführt wird. Hier kann man eine Liste von Facebook-Freundinnen erstellen, zu denen man sich hingezogen fühlt – sollte man dann in die Liste von einem seiner „Crushes“ gelangen, so werden beide Parteien benachrichtigt.
Uns wäre es lieber wenn man einfach wie in den „guten alten Zeiten“ miteinander reden würde.. oder gar flirten. Aber uns fragt ja niemand..
In Europa dürfen sich VR-Fans auf „Oculus Rift“ & „Oculus Quest“ (ab 21.Mai erhältlich) freuen. Außerdem sollte ab Herbst auch Facebook „Portal“ erhältlich sein. Der „Smart Screen“ von Facebook wird über eine WhatsApp App und über Face-Filter in der Portal Video Chat-App verfügen.
Resümee Thomas Meyer, Geschäftsführung "Büro für Interaktion"Wie jedes Jahr warten tausende Entwicklerinnen und Marketerinnen auf ihren auf mich immer wieder leicht merkwürdig wirkenden Messias. Gut, ich gehöre auch dazu, doch ist der “Genuss” der F8 mittlerweile eher wie das 2. Album von Nickelback: “Tut keinem so richtig weh und stört nicht beim Bügeln”.
Im Grunde ist es jedes Jahr dasselbe: minimale neue (meist reine Design-)Features werden wie bahnbrechende Weltneuheiten abgefeiert (kommt schon Leute, es is ein Interface. Nur ein Interface) und die etwas maßgeblicheren Dinge ziehen sich in der Entwicklung sowieso so dermaßen in die Länge, sodass man jedes Jahr davon hört. (Oculus, Facebook Dating etc.)
Ich war ja im Grunde nur gespannt auf das Privatsphäre-Thema. Und auch hier wurde ich enttäuscht. Die F8 ist eine Entwicklerinnen-Konferenz, doch Zuckerberg speiste die Zuhörerinnen mit einer Ode an die Selbstkritik und der Bereitschaft nach Besserung ab. Kennen wir. Wissen wir.
All in All? Nett. Unaufgeregt aber auch uninspiriert. Wie Nickelback eben.