
Humor in der Kommunikation – und warum lustig ernst zu nehmen ist / Teil 2
24. März 2020 Im ersten Teil des Artikels haben wir versprochen, euch für den Kampf der Aufklärung noch besser zu bewaffnen. Es geht um Humor – um dieses großartige Phänomen, das so schön und gleichzeitig so gefährlich sein kann. Das uns glücklich macht, aber auch leichter manipulierbar. Ein sehr komplexes Phänomen.Was bis jetzt geschah
Wir haben folgendes besprochen: Die Wirkung von Humor hängt von den Persönlichkeitseigenschaften der RezipientInnen ab, von der Situation, in der etwas wahrgenommen wird, von dem Kontext, in dem es angewendet wird und von einer langen Reihe anderer Faktoren. Das Ziel des Kommunikators, die RezipientInnen zum Lachen zu bringen, kann nur dann erfüllt werden, wenn die RezipientInnen den Inhalt verstehen, die kodierte Botschaft richtig dekodieren und sich nach der Aufschlüsselung nicht gefährdet fühlen. So weit, so gut… Fragt sich nur, was wirklich hinter dem besagten Ziel steckt?
Soziale Funktionen von Humor
Humor hat verschiedene soziale Funktionen. Folgende Abbildung zeigt die Funktionen der im ersten Artikel geschilderten Theorien.
IdentificationIdentifikation ist eine sehr mächtige Funktion von Humor. Sie entsteht nicht nur zwischen KommunikatorInnen und RezipientInnen, sondern auch innerhalb einer Gruppe. Gemeinsam in der Gruppe über eine andere Gruppe lachen. Wenn bei euch an der Stelle die Glocken klingeln, dann …gut so. Wenn nicht, denkt bitte nochmal darüber nach.
Die Identifikation der RezipientInnen mit den KommunikatorInnen stärkt die Glaubwürdigkeit der Letzteren. Bitte hier kurz Pause machen und es wirken lassen. Nicht nur die Botschaft, sondern die gesamte Quelle wirkt durch Humor glaubwürdig, weil wir uns damit identifizieren können. Nicht weil das Wahrgenommene wahr ist, Sinn macht, oder die Quelle eine ethisch vertretbare Person oder Institution ist. Nein. Nur weil es uns zum Lachen bringt.
Die Identifikation innerhalb einer Gruppe basiert zunächst darauf, dass wir uns nun mal in Gruppen wohler fühlen. Einst haben wir eine Gruppe gebraucht, um überleben zu können. Inwiefern das heute wohl anders ist? Weiterhin entsteht dadurch ein sozialer Druck. Wer lacht ist in, wer nicht lacht, ist out. Wir gegen die anderen. Das Spannende an „Wir“ ist, dass es oft erst mit „den anderen“ entsteht.
Hier wie Meyer (nein, nicht unserer… siehe Quelle) diese Funktion beschreibt:
“Humor that reduces tensions or makes a speaker seem a part of the group serves to identify the audience with the communicator, as they may laugh together at some relief of tension.”
ClarificationHumor hat auch die bemerkenswerte Funktion, Botschaften indirekt und trotzdem verständlich zu transportieren. Auf diesem Weg können Themen und Einstellungen einprägsam zur Sprache gebracht werden und sowohl für die Aufmerksamkeit des Publikums sorgen, als auch für eine stärkere Erinnerung an das Angesprochene. Meyer dazu:
“Communicators also employ humor to encapsulate their views into memorable phrases or short anecdotes, resulting in the clarification of issues or positions.”
Viele PolitikerInnen bedienen sich dieser Funktion des Humors mit dem Ziel, effizienter ihre zukünftigen WählerInnen zu erreichen und sie von sich zu überzeugen. Durch Anwendung von Humor erscheinen ihre Botschaften kreativer und werden von RezipientInnen leichter verinnerlicht – verstärkt durch Inkongruenz und die Überraschung solcher Aussagen. Nach Meyer:
“A short, humorous line, as modern politicians have learned, gets more play on radio and television newscasts than does a thorough presentation of policy positions. Humorous lines often serve to express one’s views creatively and memorably because they are presented incongruously or unexpectedly.”
EnforcementDie Anwendung von Humor erlaubt den KommunikatorInnen, Normen zu verstärken und Kritik zu äußern, ohne negativ aufzufallen. Durch Humor kann man „Heiliges“ geschützt angreifen und soziale Reformen anstoßen. Humor hat hierbei eine Art Schutzfunktion – ernste Themen können als Spaß aufgegriffen werden
“The enforcement function of humor allows for stress on the violation of norms, which, although engendering mirth, requires correction indicated by laughing at the person responsible for the humorous violation.”
Wie oft haben wir die Ausrede „Das war nur Spaß“ gehört? Von PolitikerInnen und MarketerInnen genauso. Dass Spaß nicht nur Spaß ist und gravierende Folgen mit sich bringen kann, sollte man wissen.
DifferentiationBei der Differenzierung durch Humor vom Mitbewerber liegt der Fokus der Kommunikation auf dem Kontrast zwischen der eigenen und der „anderen“ Gruppe. Humor kann dazu dienen, Bedürfnisse hervorzurufen und Unterschiede hervorzuheben. Indem die eigene Gruppe über die „andere“ lacht, signalisiert sie deren sozialen Ausschluss. Die Anwendung in der Politik beschreibt Meyer folgendermaßen:
“Politicians may use humor to differentiate themselves from other candidates; leaders may use humor to distinguish their own group from others.”
Die kognitive Auseinandersetzung mit den aufgegriffenen Unterschieden wird abgeschwächt. Kritik und Abgrenzung lassen sich durch die Anwendung von Humor effizienter kommunizieren als durch Empörung, Wut oder Gewalt.
Wirkung von Humor
Wie bereits aus den Funktionen klar wird, hat Humor eine sehr starke persuasive Wirkung. Sie basiert auf Glaubwürdigkeitssteigerung, positivem Affekt, aber auch auf der Ablenkung von Gegenargumenten. Der Humor versetzt Menschen in einer positiven Stimmung – laut der Theorie der Persuasion neigen Menschen, die in einer positiven Stimmung sind, eher selten dazu, sich Gegenargumente zu überlegen.
Humor lässt die Quelle der Botschaft sympathischer wirken und somit die Bereitschaft steigern, sich mit der Botschaft auseinanderzusetzen. Bei RezipientInnen, die eine Botschaft als humorvoll empfinden, wird die rationale, systematische Verarbeitung der Botschaft abgeschwächt, was noch stärker zu einer Ablenkung von Gegenargumenten führt. Studien haben gezeigt, dass diese Ablenkung bei Anwendung von Ironie am stärksten ist. Die Glaubwürdigkeitssteigerung erfolgt dadurch, dass die KommunikatorInnen, die sich “gegen sich selbst” äußern oder dies zu tun scheinen, als ehrlicher wahrgenommen werden.
Nachteile des Humors in der Kommunikation
Nachteile beim Einsatz von Humor sind auch möglich. Witzige Kampagnen nutzen sich schneller ab – ein Witz ist nur eine bestimmte Zeit lang witzig. Weiters gibt es auch inhaltliche Grenzen in der Gestaltung des Humors – der humorvolle Inhalt muss einfach sein, um verstanden zu werden. Subtile Kommunikationsformen, wie etwa Ironie, Sarkasmus oder Satire werden oft nicht verstanden. Kognitiv betrachtet, interagiert Humor stark mit Merkmalen der Informationsverarbeitung – tiefere Verarbeitungsprozesse werden oft durch eine witzige Präsentation eher behindert. Die Frage nach der richtigen Menge an Humor stellt eine weitere Herausforderung dar – eine zu humorvolle Darstellung kann dem Image schaden.
Fazit
Die Funktionen und Wirkungen von Humor sind in allen Kommunikationsbereichen vorhanden und anwendbar. In unserer alltäglichen, zwischenmenschlichen Kommunikation ebenso wie in Politik und Marketing. Wie immer kann viel Positives damit erreicht werden, aber auch viel Negatives. Uns geht es nicht darum, Personen, Institutionen oder Marken, die sich des Humors für das Erreichen ihrer Ziele bedienen, zu verurteilen. Uns geht es wie immer um Aufklärung. Um das Hinterfragen. Wenn ihr in den nächsten Tagen ständig überlegen müsst, warum ihr lacht, wenn ihr lacht, tut uns das ein wenig leid. Aber nur ein wenig. Denn das wäre ein Zeichen dafür, dass wir unser Ziel erreicht haben. Und Ziel ist eben Aufklärung.
Disclosure:Beide Teile des Artikels basieren auf einer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 2014, entstanden im Rahmen einer Lehrveranstaltung am Institzt für Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Damals hat sich eine Gruppe aufgeweckter Studierenden (u.a. die Autorin) mit dem Thema „Humor in der politischen Kommunikation“ auseinandergesetzt. Die Namen der Co-AutorInnen können auf Wunsch und nach Zustimmung bekannt gegeben werden.
Quellen:
ERBELDINGER, Harald, KOCHHAN, Christoph: Humor in der Werbung. Chancen und Risiken in: JÄCKEL, Michael (Hrsg.) (1998): Die umworbene Gesellschaft. Analysen zur Entwicklung der Werbekommunikation. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.v
FELSER, Georg: Werbe- und Konsumentenpsychologie. Berlin Heidelberg 3. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag;2007
GIERL, H. Überzeugungswirkung von Humor als Stilmittel in der Werbung. Transfer. Werbeforschung & Praxis, 52 (1) , 2007
KIESSLING, (2004), In: Medien Skripten: Poduschweit, Nicole: Wirkungen von Wahlwerbung,
LYTTLE, J. (2001). The effectiveness of humor in persuasion: The case of business ethics training. Journal of General Psychology, 128, 206-216.
Meyer, J.C „Humor as a double-edged sword: Four functions of humor in communication.” http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.466.1116&rep=rep1&type=pdf
Autorin: Vivian Scherz