Marketing

Humor in der Kommunikation – und warum lustig ernst zu nehmen ist / Teil 1

24. März 2020 Lachen verbrennt Kalorien. Bei 10 und 15 Minuten ist man zwischen 10 und 40 Kalorien los. Beim täglichen Lachen, wenn man es hochrechnet, könnte das die unerreichbaren 2 Kilos besiegen.

Da der Sommer nun vorbei ist, interessiert uns das relativ wenig. Zugegebenermaßen hat uns das noch nie interessiert. Was uns interessiert ist, wie Lachen sich auf unsere Wahrnehmung auswirkt. Wie Humor unsere Wahrnehmung verzerrt. Und wie wir das für uns und gegen die weniger Gutgesinnten anwenden können.

Was ist Humor?

Den Humorbegriff einzugrenzen, ist aufgrund seines breiten Spektrums kaum möglich. Es gibt bis heute keine einheitliche Definition, obwohl sich WissenschaftlerInnen, PhilosophInnen und viele andere belesene Menschen schon seit der Antike über den Begriff den Kopf zerbrechen. Bei einer Sache sind wir uns allerdings alle einig – „es hängt davon ab.“ Was Humor ist, ist für jede/n von uns unterschiedlich. Es hängt von unseren Erfahrungen ab, genauso wie von demografischen, kulturellen, subkulturellen und psychografischen Faktoren. Wer mutig (…und lustig) genug ist, um Humor in seine Markenstrategie aufzunehmen, muss nicht nur die Personas und alle bisher erwähnten Faktoren im Auge behalten, sondern auch der Art der beworbenen Produkts und jene des Mediums. Eine digitale „lustige“ Kampagne kann im Gegensatz zu einer klassischen in Minuten zu einem gefährlichen Shitstorm mutieren.

Um eine gemeinsame Wissensbasis für die Zwecke dieses Artikels zu schaffen, nehmen wir folgende Definition aus Encyclopedia Britannica – „form of communication in which a complex, mental stimulus illuminates, or amuses, or elicits the reflex of laughter“ – und stellen uns die Frage, wie komplex sind diese mentalen Stimuli, die Humor ausmachen. Hierzu finden wir drei Theorien.

Relief theory

Diese Theorie beschäftigt sich mit den biologischen Funktionen und körperlichen Reaktionen nach der Rezeption eines Inhaltes. Aus der Perspektive der relief theoryempfinden Menschen etwas als lustig aufgrund einer Reduktion von Stress oder Spannung. Humor ist hier als das Resultat einer Erleichterung zu verstehen. Diese Erleichterung wird spürbar, wenn bestimmte Anspannungen wegfallen, wenn quasi Nervenenergie freigelassen wird. Einige wissenschaftlichen Arbeiten deuten darauf hin, dass diese freigelassene Energie den Menschen zur Überwindung soziokultureller Hemmungen verhelfen kann.

In der Praxis

Diese Erkenntnisse können in der Kommunikation angewendet werden, um z.B. durch Humor eine angespannte Situation zu entschärfen. Das sehen wir heute oft in der politischen Kommunikation.

Sagen wir, in einem Werbespot geht es z.B. um eine Person, die in der Vergangenheit immer eine bestimmte Partei gewählt hat, bei der bevorstehenden Wahl aber mit einer anderen Partei sympathisiert. Sagen wir, die Handlung findet in einer Bar statt. Obwohl diese Werbung per se nicht unbedingt als witzig bezeichnet werden kann, kann es nach der relief theorybei manchen RezipientInnen in Lachen resultieren, da sie eine Spannung wegnimmt. Die Spannung, die aus der Dissonanz zwischen der früheren Einstellung und der heutigen entsteht.

Natürlich ist es vollkommen in Ordnung, Parteien zu wechseln, allerdings aus eigener, informierter Überzeugung und nicht anhand der persuasiven Wirkung des Humors.

Nicht nur in der Politik, gibt es angespannte Situationen. Wenn man genauer hinsieht, wird man sie überall finden. Nehmen wir das Thema Fleischkonsum. Hier ein Beispiel:

SPAR Österreich Kampagne Hakuna Matata

Immer mehr Menschen stehen dem Fleischkonsum negativ gegenüber, entsprechend wird das auch in der Gesellschaft spürbar. Wie fühlt man sich als ethisch korrekter, umweltbewusster Mensch, der trotzdem auf Steaks steht? Angespannt. Und hier wird ein Versuch des Reliefs geliefert.

Incongruity theory

Dieser Ansatz erläutert die kognitiven Reaktionen auf Humor. Nach der Inkongruenz-Theorie entsteht Humor, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden.Unerwartete, unlogische und nicht zusammenpassende Ereignisse oder Elemente können in heiteren Reaktionen resultieren. Wichtige Bedingung dabei ist, dass diese Ereignisse oder Elemente nicht gefährlich oder bedrohlich wirken. Einem bekannten Schema wird bei der Wahrnehmung nicht entsprochen und ein Unterschied wird bemerkt. Der Unterschied ist normkonform genug, um nicht als gefährlich empfunden zu werden, aber unterschiedlichgenug, um bemerkenswert zu sein. Als ob das nicht schon genug wäre, bräuchte man auch ein Überraschungselement. So betrachtet ist Humor wirklich eine Kunst.

In der Praxis

Humor in der Politik kann grundsätzlich als überraschend wahrgenommen werden, da Politik (…in der Regel) ein ernsthaftes Thema ist. Durch die Anwendung von Humor wird den Erwartungen der Rezipienten auf Ernsthaftes nicht entsprochen. Nach der incongruity theorykönnen aus diesem Grund die Inhalte der politischen Werbung als humorvoll wahrgenommen werden. Das hat einerseits Vorteile, denn auf diesem Wege können Politik-Muffel zum Nachdenken oder gar Handeln verleitet werden. Andererseits können so Inhalte manipulativ aufbereitet werden.

In der Marketing-Praxis gibt es zahlreiche Beispiele. Wir hoffen, ihr stimmt uns zu, dass Hornbach sich hier einen Platz verdient hat.

https://youtu.be/4SuoRTpkyq0

Ausschlaggend bei der incongruity theoryist der Auflösungsmoment. Inkongruenz ohne Auflösung stiftet nur Verwirrung.Die Herausforderung dabei ist, dass die Auflösung und die „Entschlüsselung“ der Inkongruenz dahinter als lustig empfunden werden. Dafür müssen sie erstmal überhaupt bemerkt werden. Und das erfordert ein gewisses Ausmaß an kognitiver Intelligenz. Ein kleiner, aber wichtiger Stolperstein.

Disparagement theory

Nach der disparagement theory(Überlegenheitstheorie) lachen Menschen über andere Menschen, weil sie sich überlegen fühlen und dadurch eine Art von Triumph erleben. Platon oder Hobbes sehen die Essenz des Humors im “plötzlichen Triumph”, den Menschen fühlen, wenn andere lächerlich gemacht werden.

In der Praxis

Triumphieren und Überlegenheit klingen schon ziemlich asozial. Für die Überlegenheitstheorie gibt es aber auch positive Beispiele. Lustige Videos, die tollpatschige Tiere oder nicht ganz rationale Argumente von Babys und Kindern zeigen, wirken humorvoll auch nach der disparagement theory. Das heißt aber nicht, dass wir böse sind, wenn wir darüber lachen.

Böse kann es allerdings schnell werden. Angefangen mit (relativ) harmlosen Männer-Frauen Witzen oder Blondinenwitzen bis hin zur Verspottung von Minderheiten. Das Gefühl der Überlegenheit kann ein feindseliges Lachen erzeugen. Und feindseliges Lachen ist sehr gefährlich. In solchen Fällen halten sich RezipientInnen für besser, kluger und überlegener als die Personen, über die gelacht wird. Hier verwandeln sich Schadenfreude, Vorurteile und Lust am Versagen anderer in Humor. Wie gefährlich das in der politischen Kommunikation eingesetzt werden kann, brauchen wir an dieser Stelle nicht näher zu erläutern. Tagtäglich werden wir mit immer mehr und immer düstereren Beispielen konfrontiert. Stichwort Ratten-Gedicht. Oder die plakative Darstellung äußerer Merkmale einer Minderheit. Oder wenn man über den Tellerrand schaut … Trump.

Marketingtechnisch fällt uns schnell ein Beispiel ein. Nämlich true fruits. Aus verständlichen Gründen verzichten wir an dieser Stelle auf Screenshots zur Veranschaulichung. Ein Blick auf deren Facebook Timeline reicht, um Beispiele für alle drei Humor-Theorien zu finden.

Fazit

Worauf wir aber nicht verzichten, ist ein Hinweis. In Fällen wie den soeben erwähnten, denken wir oft „das kann man doch nicht lustig finden“. Doch, kann man. Schrecklich, aber wahr. Nur weil in unserer Bubble nicht gelacht wird, heißt das (leider) nicht, dass viele diese Kampagnen nicht witzig finden. Von denen zu erwarten, sich mit Humor-Theorien auseinanderzusetzen, wäre unrealistisch. Aber ihr habt das gerade. Und das freut uns. Denn so können wir gemeinsam für Aufklärung sorgen. Im zweiten Teil des Artikels bewaffnen wir euch auch mit Einblicken in die Funktionen und Wirkungen von Humor in der Kommunikation.

Quelle:

Der Artikel basiert auf den etwas veralteten, aber erschreckend auf die heutige Situation zutreffenden Artikel von Meyer (nein, nicht dieser Meyer…) „Humor as a double-edged sword: Four functions of humor in communication.”

Den findet ihr hier http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.466.1116&rep=rep1&type=pdf

Autorin: Vivian Scherz

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