
Markenvertrauen – und was Marken vertrauenswürdig macht
24. März 2020 Wie wichtig ist Vertrauen? Eine Frage, die sich wohl kaum jemand stellt. Es sei denn,es kriselt gerade in der Beziehung.Wer Beziehungskrisen, die zum Vertrauensverlust führen, nicht kennt – Glückwunsch! Wir Normalsterblichen wissen – es tut weh. Denn Beziehungen entstehen aus Vertrauen und enden mit dessen Verlust. Wer das Gegenteil behauptet, der liest bitte nicht weiter.
Nicht viel anders als Liebesbeziehungen sind Markenbeziehungen. Denn wie der damalige CEO von Saatchi&Saatchi einst sagte: „Lovemarks gehören den KonsumentInnen, die sie lieben“. Lovemarks und Markenliebe sind aber wieder ein anderes Thema. In diesem Artikel geht es um Markenvertrauen.
Markenversprechen
Ja, Definitionen mögen öde sein. Sie sind aber oft vorteilhaft bei Begriffen, die zunächst selbstverständlich erscheinen und dennoch etwas vage sind. Wenn ihr den Begriff Marke mit drei Worten definieren müsstet, welche wären das? Unsere sind: Wiedererkennung, Identifikation, Versprechen. Und Versprechen finden ihre Existenzberechtigung in Vertrauen. Die Erwartungen an die Markenversprechen wachsen ständig. Während früher hauptsächlich von Qualitätsversprechen die Rede war, müssen Marken heute zunehmend auch einen ethischen Umgang mit der Umwelt und Arbeitskräften, Transparenz, Anpassungsfähigkeit, Selbsttreue uvm. versprechen. Und diese Versprechen halten! Das alleine wäre schwer genug, reicht aber nicht. Es bringt relativ wenig, ein Versprechen zu halten, wenn keiner davon erfährt.
Markenvertrauen
Marken haben es also heute nicht leicht. Obwohl es auch leicht dargestellt werden kann. Wenn dieser Artikel ein Q&A wäre, würde er so aussehen
Q: Wie entsteht Markenvertrauen?
A: Marken erfüllen ihre Versprechen, kommunizieren das nachhaltig an ihre Zielgruppe, diese hört auf, nachzudenken und bleibt der Marke treu.
Aber warum Sachen vereinfachen, wenn es auch kompliziert geht? Weil die Realität und alle Prozesse der Markenbildung leider (…oder zum Glück, denn sonst wären einige von uns arbeitslos) kompliziert sind. Um auf diese komplizierte Thematik möglichst strukturiert und vereinfacht einzugehen, stellen wir euch zwei Studien zum Thema Markenvertrauen vor.
Wie Markentreue entsteht – und was sie gefährdet
Die im Dezember 2017 von Price Waterhouse Coopers veröffentlichte Studie liefert spannende Erkenntnisse zum Thema Markenvertrauen. Die Studie hat zwei Zielgruppen – Bevölkerung und EntscheiderInnen – und zeigt, dass es oft Differenzen in den Meinungen der KonsumentInnen und den Marketingverantwortlichen gibt.
In Bezug darauf, was eine erfolgreiche Marke ausmacht, unterschätzen die EntscheiderInnen vor allem die Rolle der Tradition und des langjährigen Erfolgs. Des Weiteren werden das gute Image in der Gesellschaft, die Individualität und die Verfügbarkeit unterschätzt.

Überschätzt durch die EntscheiderInnen werden die Stellenwerte des guten Service und Preis-Leistungs-Verhältnisses. Diese Zahlen können wir demnach wunderbar als Beweis dafür nehmen, dass die „soft skills“ auch in der Markenwelt eine führende Rolle spielen.

Diese Aussage wird gleich durch folgendes Studien-Ergebnis relativiert. EntscheiderInnen schätzen die Zahlungsbereitschaft der KonsumentInnenfür Markenprodukte in allen Bereichen viel höher ein, als sie tatsächlich ist. In Bereichen wie „Beauty“ und „Wasch- und Reinigungsmittel“ wird den KonsumentInnen sogar mehr als das Doppelte zugemutet.

Eine Hoffnung, dass diese Zahlen vielleicht doch nicht ganz der Realität entsprechen und wir (MarketerInnen) bei der Thematik nicht ganz so daneben liegen, gibt uns das Rufzeichen in der linken Ecke. Bei der Frage gibt es von Unternehmensseite eine geringe Fallzahl. Puh, das war knapp.
Leider geht es weiter mit den Diskrepanzen und zwar bei der nicht unwichtigen Frage „Wie werden Kunden gebunden?“ In Bezug auf Angebot und Nutzung von Kundenbindungsprogrammen wird von EntscheiderInnen-Seite die Mitgliedschaft in Kundenclubs stark überschätzt.

Obwohl eine zweite Diskrepanz auch ziemlich ins Auge sticht, entscheiden wir uns bewusst dafür, ihr skeptisch gegenüber zu stehen (das darf und soll man übrigens bei der Interpretation solcher Studien/Befragungen). Die aktive Teilnahme in einer Online-Community gilt als eine wirkungsvolle Kundenbindungsmaßnahme bei nur 6% von den 1000 Befragten. Die Argumente für unsere Skepsis lauten
1. die Befragung ist bereits zwei Jahre alt, im Online-Bereich ist das eine halbe Ewigkeit.
2. Woher wollen sie denn das wissen?
Zugegeben – die Stichhaltigkeit vor allem des zweiten Arguments ist fraglich.
Noch fraglicher wird es, wenn die Tendenz mit weiteren Zahlen unterstützt wird. Bei der Frage „Wann würden KonsumentInnen zu einer anderen Marke wechseln?“ sind sich EntscheiderInnen und KonsumentInnen ziemlich einig, außer wenn es um den Onlineauftritt geht.

Tja, uns (MarketerInnen) ist eben der Onlineauftritt wichtig und das ist auch gut, verständlich und eigentlich notwendig so. Dennoch: „Ich verkaufe meine Harley, weil die Website nicht responsive ist.“ – said or will say noone ever. Das Beispiel ist leicht übertrieben, aber ihr wisst schon. Nun zum seriösen Teil.
2019 Edelman Trust Barometer Special Report
Der Edelman Trust Barometer Special Report „In Brands We Trust“ ist ein Teil der globalen Studie zum Thema Vertrauen. Es wurden Daten von über 25.000 Befragten in acht wichtigen globalen Märkten, darunter den USA, Brasilien, China und Deutschland, gesammelt.
An dieser Stelle wollen wir anmerken, dass der gesamte Trust Barometer 2019 sehr lesenswert ist. Den ganzen Report und ein Executive Summary findet ihr hier.
Im Folgenden fassen wir die fünf wichtigsten Erkenntnisse des Special Reports zusammen.
Marken müssen sich sozial engagieren53% der KonsumentInnen erwarten, dass sich Marken für mindestens ein soziales Thema engagieren, das nicht in direktem Zusammenhang mit ihrem Geschäft steht. Nichtdestotrotz sind 56% der Befragten der Meinung, dass Marken soziale Themen als Marketing-Trick missbrauchen. Nur 21% geben an, aus eigener Erfahrung zu wissen, dass ihre ausgewählten Marken die Interessen der Gesellschaft im Auge behalten.
Vertrauen ist für KonsumentInnen fast genauso wichtig wie Qualität und WertDie VerbraucherInnen bewerten das Markenvertrauen als einen der wichtigsten Faktoren, den sie beim Kauf berücksichtigen. In der Studie wird Vertrauen als „Dealbreaker“ bezeichnet – 81% geben an, dass sie „der Marke vertrauen müssen, das Richtige zu tun“. Markenvertrauen erobert somit Platz 5.

Marken, denen die KonsumentInnen vertrauen, werden belohnt. 70% der Befragten halten lieber an „ihrer“ Marke fest und würden nicht zur Konkurrenz wechseln, auch wenn sie innovativer oder technologisch fortschrittlicher ist. 75% geben an, dass sie Vertrauen mehr als Trends schätzen. Spannend bei der Erhebung sind auch die demographischen Unterschiede.

Im Durchschnitt vertrauen nur 34% der Befragten den meisten Marken, die sie kaufen. In einigen Märkten wie Frankreich und Deutschland liegt dieser Anteil sogar unter 25 Prozent.
Der Bericht zeigt weiters, dass auch das Vertrauen in Werbung sinkt. 41% geben an, dass sie Markenkommunikation nicht für korrekt und wahrheitsgetreu halten.
Fast drei Viertel der VerbraucherInnen geben außerdem an, auf Werbung zu verzichten: 48% der Befragten verwenden Werbeblocker und 47% änderten sogar ihre Mediengewohnheiten, um weniger Werbung zu sehen.

Laut dem Edelman-Bericht vertrauen 63% der VerbraucherInnen Influencern „viel mehr“ als den Marken selbst. 58% der Menschen haben in den letzten sechs Monaten ein neues Produkt aufgrund der Empfehlung eines Influencers gekauft.
Befragte sagen auch, dass die Identifikation mit dem Influencer bei Produktempfehlungen doppelt so wichtig sei wie deren Popularität. Mit anderen Worten: Influencer, mit denen sich die VerbraucherInnen identifizieren können, werden Prominenten vorgezogen.

Während die KonsumentInnen heuer noch stärker daran glauben, dass Marken gesellschaftliche Auswirkungen haben müssen, ist ihr Vertrauen in den von Unternehmen geleiteten sozialen Wandel gegenüber dem Vorjahr erheblich gesunken.
49% der Befragten geben an, dass Marken mehr für die Behebung sozialer Probleme tun können als die Regierung. 41% geben an, Marken hätten bessere Ideen zur Lösung der Probleme des Landes als die Regierung. Und 48% sagen, es sei einfacher, Marken zu sozialem Handeln zu bewegen als die Regierung. Auch wenn diese Zahlen relativ hoch zu sein scheinen, sind sie gegenüber dem Vorjahr um vier, fünf bzw. sechs Prozentpunkte gesunken.

In einem Interview sagt Richard Edelman, CEO von Edelman: „Marken müssen normal sein, die Erwachsenen im Raum“. So einfach, und doch wieder so kompliziert.
Er sieht in der negativen Entwicklung des Markenvertrauens eine Chance für Marken, den Ansatz zur Vertrauensbildung zu überarbeiten und besser zu werden. Oder „normal“ eben.
Unweigerlich denkt man sich hier, damit die Marken normal sind, müssen wir (MarketerInnen) normal sein. Damit sie die Erwachsenen im Raum sind, müssen wir es sein. Sind wir soweit?
Quellen:
https://www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/pwc-studie-markenvertrauen.pdf
https://www.edelman.com/trust-barometer
https://www.edelman.de/trust-2019/#mehr-informationen
Autorin: Vivian Scherz