Marketing

Zusammenhänge verstehen und positiv in die Zukunft blicken – Consumer Trends, die 2020 prägen werden / Teil 3

25. März 2020 Im ersten Teil dieser Artikel-Reihe haben wir uns mit der Zukunft des Gesundheitswesens und dem Stellenwert unserer Privatsphäre in einer bargeldlosen Zukunft auseinandergesetzt. Im zweiten Teil widmeten wir uns der Technologie und ihren Auswirkungen auf die menschliche Interaktion. Hier im dritten Teil schließen wir ab mit spannenden Erkenntnissen aus der GlobalWebIndex-Forschung zu den Themen Zukunft des Shoppings sowie Nostalgie und ihrer Bedeutung für unsere Branche.

Die Artikel-Reihe bezieht sich auf den GlobalWebIndex-Bericht über Zukunftstrends. Die Originalversion mit allen Details zu den Umfragen wie TeilnehmerInnenzahl und genauen Zeitrahmen findet ihr hier. Die genauen Fragenformulierungen sind ab Seite 109 des Berichtes aufgelistet.

Fashion Stores definieren sich neu

Apokalypsen-Prophezeiungen gab es schon immer und wird es womöglich immer geben. Sie sind allerdings nicht immer ernst zu nehmen. Zum Beispiel wird (unter anderem) für heuer eine „Retail-Apokalypse“ prophezeit. Viele behaupten, dass 2020 jenes Jahr ist, in dem E-Commerce den Kampf um die KonsumentInnenherzen endgültig gewinnen wird.

Der GlobalWebIndex-Bericht sorgt für Deeskalation in diesem Konflikt. Die Zukunft des physischen Einzelhandels ist möglicherweise doch nicht so katastrophal. Im Gegenteil – es zeichnet sich langsam ab, dass Retail-Unternehmen, vor allem in der Fashion Branche, immer öfter ein Gleichgewicht zwischen on- und offline Präsenz suchen. Während der Offline-Handel bemüht ist, Mehrwert in seine Locations zu bringen, erkennt Online, dass bestimmte Elemente der Offline-Kauferfahrung digital nicht nachgebildet werden können. Eine erfrischende Entwicklung der Situation.

Zurück zur Haptik

Das Wachstum des E-Commerce und insbesondere der Aufstieg von Giganten wie Amazon war darauf ausgerichtet, das traditionelle Einkaufen zu zerstören. Oder wenn schon nicht zu zerstören, dann zumindest bluten zu lassen. Und obwohl sich das Wachstum zweifellos negativ auf den Offline-Einzelhandel ausgewirkt hat, erleben wir nun seine Auferstehung. Stellt sich nur die Frage des Warum.

Ein Blick in die psychologischen Komponenten des Einkaufens liefert eine logische Antwort – wir Menschen stehen auf Greifbares. Sachen, andere und gelegentlich sich selbst zu berühren macht uns glücklich. Wir haben nun mal ein unerschütterliches Bedürfnis nach Haptik.

Offline-Mode bleibt in Mode

Eine GlobalWebIndex Umfrage aus September 2019 unter InternetnutzerInnen aus Großbritannien und den USA ergibt, dass 73% immer noch lieber Kleidung im Laden kaufen als online. Die Tatsache, dass diese Zahl auch bei den jüngsten Befragten – die GenZ im Alter von 16 bis 22 Jahren – nicht unter die 70%-Marke fällt, zeigt, dass Offline-Mode ihre Anziehungskraft nicht verloren hat. 7 von 10 GenZs in Großbritannien und den USA bevorzugen es, ihre Klamotten im Geschäft zu kaufen.

Die gute, alte Shoppingtherapie kann offenbar nicht ersetzt werden. Die Vermutung, dass KonsumentInnen ihre Zuneigung zum analogen Shoppen verlieren, scheint demnach nicht zuzutreffen.

Das liegt daran, dass Klamotten-Shopping für viele eher eine soziale und emotionale Erfahrung als eine nutzenorientierte ist. Bevor wir kaufen, möchten wir die Sachen anprobieren. Dies scheint auch der Hauptgrund zu sein, warum wir uns immer wieder in Umkleidekabinen mit grellem Licht zwängen. 70% kaufen ihre Kleidung im Laden aus diesem Grund. 63% bevorzugen Geschäfte, weil sie die Produkte berühren und fühlen können.

Augmented Reality

Eine interessante, jedoch noch unterentwickelte, potenzielle Integration des Greifbaren in das Digitale stellt das heiß diskutierte Augmented Reality (AR) dar. AR könnte es NutzerInnen ermöglichen, Klamotten anzuprobieren ohne die eigenen vier Wänden zu verlassen. Einige Marken, wie z. B. ASOS und GOAT, haben bereits verschiedene AR-Testfunktionen entwickelt.

Die GlobalWebIndex Studie liefert jedoch keine ermutigenden Ergebnisse für diese Pioniere – mit AR Kleidung anzuprobieren ist für magere 8% der KonsumentInnen ein Reiz. So gesehen kann der AR-Filter mit dem tatsächlichen Anziehen nicht konkurrieren. Die Technologie ist eindeutig vielversprechend, aber im Vergleich zum tatsächlichen haptischen Shopping-Erlebnis (noch) stark im Nachteil.

Geschäfte als Treffpunkt

Laut der GlobalWebIndex Studie dürfen Geschäfte zwar aufatmen, aber nicht allzu lange. Die Ergebnisse der Studie zeigen nämlich, dass wir heuer eine Neudefinition von Geschäften als Treffpunkte erleben werden. Um wirklich aufzufallen und die Aufmerksamkeit von GenZs und Millennials auf sich zu ziehen, müssen Modemarken ihre Geschäfte umgestalten. Mehr als drei Viertel der Befragten wünschen sich mindestens eine zusätzliche Erfahrung im Geschäft.

Obwohl jüngere Generationen technisch versierter und nun mal „digitaler“ sind, wird Technologie allein nicht ausreichen, um das physische Shoppingerlebnis zu bereichern. Interessanterweise wünschen sich GenZs und Millenials in Modegeschäften auch ziemlich herkömmliche Erfahrungen wie Bars, Spa-Zentren und Bäckereien.

Fazit

Der physische Einzelhandel, wie wir ihn kennen, befindet sich nach wie vor in einem raschen Wandel. 2020 mag vieles mit sich bringen, aber keine „Retail-Apokalypse“. Ein Reality-Check ist für die Online- sowie für die Offline-Shoppingwelt erforderlich. Die Notwendigkeit eines Miteinanders statt Gegeneinanders wird spürbar werden. 2020 scheint ganz im Zeichen von Integration statt Wettbewerb zu stehen. Es zeichnet sich eine neue Art der Koexistenz ab, bei der sich die Bewegung zwischen der digitalen und der realen Welt nahtlos und fließend gestaltet.

Der Charme der Nostalgie

Neu ist immer besser – sagte einmal Barney Stinson in der beliebten Serie „How I Met Your Mother“. Ihre Erstausstrahlung ist übrigens 15 Jahre her. Wen hier nicht die Nostalgie packt, dann spätestens bei dem Gedanken an FRIENDS. Wo bleibt denn eigentlich das sehnlichst erwartete Comeback? Während man die Antwort googled, lohnt es sich, sich auch die Frage zu stellen: warum freuen wir uns denn so darauf?

Das Internet und die Streaming-Services bescheren uns ein beinahe unendliches Entertainment-Angebot. Neue Serien gibt es so gut wie jede Woche. Nichtdestotrotz scheint es, dass in letzter Zeit Beliebtes aus unserer Vergangenheit immer mehr in den Fokus rückt. Von Schriftarten und Logos, über Vinyl bis Disney und seine großartige Idee, auf Disney+ auch die guten, alten Kindheits-Favoriten online zu stellen – Nostalgie sells. Tendenz steigend.

Nostalgie – ein Gefühl, das gern gekauft wird

Machen wir einen Schritt zurück und überlegen, was Nostalgie eigentlich ist. Diese Überlegung ist insofern zielführend, denn Nostalgie wird in unserer Branche immer wieder – und in letzter Zeit immer öfter – dafür verwendet, die Entscheidungsfindung unserer Zielgruppe in unserem Sinne zu „erleichtern“.

Forschungen zufolge aktivieren bedeutungsvolle Erinnerungen, wie Musik oder Orte aus der Vergangenheit, die mit glücklichen Erlebnissen verbunden werden, die Belohnungszentren des Gehirns. Wie wir wissen, steht unser Gehirn darauf. Aus diesem Grund fühlt sich die Vertrautheit großartig an. Insbesondere heute, in einer Welt, die sich immer rasanter ändert. Dazu kommt noch, wie die GlobalWebIndex Studie ergeben hat, dass InternetnutzerInnen von Jahr zu Jahr immer stärker das Gefühl haben, dass online zu viel Auswahl besteht. Und bekanntlich überfordert uns zu viel Auswahl. Wenn wir uns zwischen Überforderung und dem Komfort der Vertrautheit entscheiden müssen, entscheiden sich die wenigsten für ersteres.

Weitere Studien deuten darauf hin, dass Nostalgiegefühle uns nicht nur glücklich machen, sondern das (womöglich sowieso sparsam vorhandene) Rationale in uns ausschalten, woraufhin wir bereit sind, mehr Geld auszugeben. Na, wenn das mal keine gute Nachricht für unsere Branche ist! Schließlich verkaufen wir ja im Endeffekt Gefühle und keine Produkte oder Dienstleistungen. Und Nostalgie ist offenbar ein Gefühl, das gern gekauft wird.

Zum Beispiel geben 4 von 10 der Befragten an, dass sie bereit wären, mehr für ein Streaming Service zu zahlen, wenn dieses exklusiv älteren Content anbieten würde.

Nostalgie hat kein Alter

Die Psychologie hinter der Nostalgie zu kennen, ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend. Eine quantitative Erforschung dieses Gefühls ist kaum möglich. Einen Versuch ist es trotzdem wert.

In seiner Nostalgie-Studie hat GlobalWebIndex die Befragten gebeten, über ihre eigene Nostalgie nachzudenken. Die Ergebnisse sind durchaus spannend – Gefühle der Nostalgie sind weiter verbreitet, als man denken würde. Egal ob es sich um Boomers oder Millennials handelt, wir alle tendieren dazu, nostalgisch zu werden.

Auf die Frage, was die Befragten im vergangenen Jahr nostalgisch gestimmt hat, ist Musik die meisterwähnte Antwort in allen Altersgruppen. Etwa 4 von 10 werden nostalgisch, wenn sie an ältere Fernsehsendungen und Filme denken.

Nostalgie ist dennoch sehr persönlich

Dennoch ist Nostalgie nicht für alle gleich. Ältere Befragten werden nostalgisch bei der Erinnerung an etwas Persönliches. Millennials hingegen empfinden Nostalgie bei Erinnerungen an FreundInnen und Familie.

Wenn es um Unterhaltung geht, ist die Tendenz zu beobachten, dass die KonsumentInnen die Unterhaltung aus jenen Jahren vermissen, in denen sie aufgewachsen sind. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Faux-Nostalgie oder „Fauxstalgia“ ist gekennzeichnet durch eine Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die wir selbst nicht erlebt haben. Das könnte zum Beispiel erklären, warum einige von uns von den 20ern (des letzten Jahrhunderts!) fasziniert sind. Oder eben der Pokemon-Go Hype unter den GenZs.

Social Nostalgia

Man muss nur an die Beliebtheit des #TBT Hashtags denken und daran, wie viele von uns als UserInnen und als MarketerInnen bei diesem „Hype“ mitgemacht haben oder immer noch regelmäßig mitmachen.

Facebook wäre nicht Facebook, wenn es nicht schon längst den Stellenwert von Nostalgie erkannt hätte. Man denke nur an das „On This Day“ Feature. Dass das eine goldrichtige Entscheidung war, zeigt eine GlobalWebIndex Umfrage aus dem Jahr 2018. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass 16 bis 24-Jährige eher ihre in der Vergangenheit bereits geteilten Inhalte auf Social Media sharen als neue Statusaktualisierungen zu posten. Der Grund dafür laut GlobalWebIndex: „um die Vergangenheit zu bewahren oder sich daran zu erinnern“. Das ist insofern spannend, als gerade die jüngste Generation oft als süchtig nach neuem, kurzlebigem Content gesehen wird, aber in Wahrheit womöglich sehr oft in Nostalgie eintaucht.

Nostalgie > Datenschutz

Betrachten wir Social Media als Fallstudie für nostalgische Tendenzen. Als GlobalWebIndex NutzerInnen danach fragte, ob sie gern Zugriff zu all ihren vergangenen Social Media Inhalten hätten, bekamen sie eine positive Antwort. Der Grund – Nostalgie.

Digitaler Fußabdruck hin oder her – unsere Vergangenheit online wiedererleben zu können, scheint uns wichtiger zu sein. In Sachen Datenschutz scheint es wenig Bedenken zu geben.

64% wünschen sich den Zugriff auf all diese Daten aus reiner Neugier – um einfach zu sehen, was sie geteilt hatten. 16% wollen sehen, welche dieser Daten andere Organisationen wie Facebook sehen können.

Auch hier entsteht ein Widerspruch: Während das Bewusstsein der KonsumentInnen für Datenschutz zunimmt, nimmt auch der Wunsch zu, das Internet als eine Art Erinnerungsbox zu verwenden.

Fazit

Die zunehmende Überforderung der KonsumentInnen durch das stetig wachsende Angebot wird Nostalgie immer weiter in den Vordergrund pushen. Nostalgie öffnet viele Türen, auch jene der Personalisierung. Denn wie wir anhand dieser Studie sehen, sind KonsumentInnen bereit, für Nostalgie mehr auszugeben – Geld, genauso wie Daten. So sehr uns der gute alte „Früher war alles besser“-Spruch manchmal nervt, es scheint wirklich was dran zu sein.

Autorin: Vivian Scherz

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